Brauende Frauen: In Flandern ist Bier längst nicht mehr Männersache
Es fing langsam und unbemerkt an: Als nach dem Zweiten Weltkrieg ein französischer Adliger das Sagen in der Brauerei Liefmans in Oudenaarde zwischen Gent und Roubaix hatte, war es an Rosa Mercks, die im Hause hergestellte Sorte Goudenband zu verkosten. Die Sekretärin befand das Getränk für viel zu sauer, woraufhin ihr Chef eine Veränderung der Rezeptur anordnete.
Später sollte Rosa Mercks zur Geschäftsführerin aufsteigen. Vor allem aber die Tatsache, dass sie Braumeisterin des Hauses wurde, beschert ihr bis heute nachhaltigen Ruhm, denn sie war die erste Frau, die diesen Beruf in Belgien ausgeübt hat. Ihre Legende lebt bis heute fort. So ist ihr Konterfei auf den Etiketten der Liefmans-Flaschen zu sehen. Außerdem würdigte das Boulevardblatt „Het Laatste Nieuws“ sie anlässlich ihres 90. mit einem Porträt.
Lange Zeit schien es, dass Mercks’ Liebe zum Gerstensaft ein Einzelfall bleiben sollte. Mittlerweile aber wächst der Einfluss von Frauen in der Bierlandschaft rasant. Eine regelrechte Erfolgsstory ist die Familienbrauerei Dilewyns aus Dendermonde. Vater Vincent hatte 1999 zunächst zum Spaß damit begonnen, das Erbe der Familie wiederzuentdecken, die bis zum Zweiten Weltkrieg im Brauereiwesen aktiv war.
Seine Experimente mit verschiedenen Sorten von Hopfen, Malz und Hefe führten jedoch schnell zu exzellenten Ergebnissen. Bald waren das Vicaris Tripel und das Vicaris Generaal geboren. Nach zehn Jahren und wachsender Anerkennung bei Bier-Festivals wie Zythos, beschloss Vincent Dilewyns das Hobby zu professionalisieren. In einem Atemzug machte er seine beiden erwachsenen Töchter Claire und Anne-Cathérine zu den neuen Geschäftsführerinnen.
Deren Ideen sollten sich als so erfolgreich erweisen, dass Dilewyns nun seine Kapazitäten verdoppeln konnte. Seit 2 Jahren können 6000 Hektoliter der mittlerweile fünf Biere produziert werden, die bis in die USA exportiert werden.
Das Erbe ihres Vaters setzt auch Sandra Mannaerts (34) aus Nieuwrode fort. Der Anlass allerdings könnte trauriger kaum sein. Sandras Vater Ivo nämlich war Hobbybrauer. Für den größten Tag im Leben seiner Tochter hatte er im heimischen Gartenhäuschen eigens ein Hochzeitsbier komponiert. Das Rezept für das goldgelbe Bier aber kam nur einmal zur Anwendung – sechs Wochen später starb Ivo Mannaerts mit nur 50 Jahren.
Tochter Sandra hat sieben Jahre gebraucht, um das Bier nun doch noch auf den Markt zu bringen: 2012 konnte sie Brauerei Anders aus Halen bei Hasselt in der Provinz Limburg dafür gewinnen, das Bier unter den Namen Nivoo zu brauen. Ein Jahr später folgte mit dem Nivoo Tripel bereits ein ebenso kräftiges wie dunkles Zweitbier. Beide verkauft die Jungunternehmerin über ihre Firma Gibrit mittlerweile landesweit an Einzelhandel und Gastronomie. Ein Geschenk, mit dem sie für immer an den verstorbenen Vater erinnern möchte.
Ein aus Mutter und Tochter bestehendes Gespann steht derweil an der Führungssitze der Brauerei De Ryck. Das seit 1886 in Herzele bei Gent ansässige Unternehmen befindet sich in der fünften Generation im Besitz der Familie und ist stolzes Mitglied der Belgian Familiy Brewers (BFB).
Mutter An De Ryck ist zugleich als Braumeisterin aktiv. Als solche ist sie für mittlerweile zehn Biere verantwortlich, die laut An bis vor kurzem vor allem „rund um den Kirchturm von Herzele“ bekannt waren. Gemeinsam mit Tochter Miek arbeitet sie nun daran, perlende Schätzchen wie das Arend Blond oder das Spécial de Ryck auch andernorts zu vertreiben.
Neben all diesen kleinen Erfolgsgeschichten von Frauen im Bier-Business existiert jedoch auch eine große: So wurde die Bier-Sommeliere und Autorin Sofie Vanrafelghem kürzlich von einer aus 25 Fachleuten bestehenden Jury zur „Bierpersönlichkeit des Jahres“ gewählt.
Mittlerweile arbeitet Sofie Vanrafelghem mit einem kleinen Team daran, belgischem Bier in der ganzen Welt zu noch mehr Popularität zu verhelfen. Dazu gehören Lesungen und Degustationen, vor allem aber hat sich die Jungunternehmerin mit einem eigenen Bier auf den Markt getraut.
Dieses wurde auf den Namen Eva getauft und versteht sich als „Bier von Frauen für Frauen“. Und das heißt bei Vanrafelghem ganz explizit: Das Bier ist nicht süßlich, wie es Frauen vermeintlich bevorzugen. Vielmehr ist es stark gehopft und somit eher herb.
Auf der Webseite der Sommeliere übrigens befindet sich auch ein Artikel über den 90. Geburtstag von Rosa Merckx. Jene Dame, mit der die kleine, weibliche Bierrevolution in Belgien angefangen hat.
www.liefmans.be
www.vicaris.be
www.gibrit.be
www.brouwerijderyck.be
www.sofiesworld.be