Die Wein- und Brandyroute von Marco de Jerez

Ein Reisebericht von Simon Felix

Zugegeben, Jerez de la Frontera war bei mir erst Liebe auf den zweiten Blick. Als ich vor sechs Jahren der Stadt einmal einen Kurzbesuch abstattete, fand ich sie nicht so spannend und verspürte keine Lust auf einen weiteren Besuch. Jetzt, im September 2023, befinde ich mich zusammen mit drei anderen Spezialreiseveranstaltern auf einer Informationsreise vom Turespaña.  

 

Bodega Viña la Torre – klein, fein und innovativ

Die Bodega Viña la Torre befindet sich westlich von Jerez de la Frontera. Manuel, der das Weingut in vierter Generation führt, lebte ein paar Jahre in Marbella und genoss das Leben im Jetset-Ort an der Mittelmeerküste. Vor ein paar Jahren meinte sein Vater, es wäre nun an der Zeit, auf das Weingut zurückzukommen. Seiher hat sich das Weingut modernisiert und Manuel lebt seine Kreativität und lancierte neue Produkte. Stolz präsentiert er sie uns und wir sind begeistert von der Innovation und der Qualität. Zu Beginn serviert er uns Galanterie, ein Schaumwein, hergestellt nach der Champagner Methode und aus 100% Sherry-Trauben. Köstlich. Weiter geht es mit einem Esencia de la Torre Petit Verdot, hergestellt aus 100% Petit Verdot Trauben. So ein Wein hat nicht einmal unser Sommelier in der Runde vorher degustiert. Auch der Wermut schmeckt vorzüglich. Man spürt die Leidenschaft von Manuel und als er unsere Begeisterung spürt, zieht sich unsere Verkostung in die Länge.

Atuvera – wo einst Keanu Reeves speiste

Zurück in Jerez de la Frontera fahren wir zum Abendessen in das Atuvera. Der Hollywood-Star Keanu Reeves hat vor einem Jahr dort gespiesen. Seither ist das Lokal in aller Munde. Flankiert von einer Statue von Lola Flores, einer bekannten spanischen Sängerin und Flameco-Tänzerin, die vor 100 Jahren in Jerez geboren wurde, nehmen wir Platz an den Tischen auf dem Boulevard neben dem Restaurant. Ángel, einer der Chefs, berät uns bei der Wahl der Weine. Dazu serviert er vorzügliche Tapas im Stil der Fusionsküche. Die asiatischen Elemente ergeben ein besonderes Geschmackserlebnis.

Gestüt Yeguada Cartuja Hierro del Bocado

Die Kartäusermönche von Jerez de la Frontera begannen im 15. Jahrhundert mit der Zucht dieser reinrassigen Pferde. Heute gehört das Gestüt Yeguada Cartuja Hierro del Bocado, das sich unweit von dem Kartäuserkloster befindet, dem Staat. So soll er Fortbestand des Gestüts, der ein Teil der andalusischen Kultur ist, garantiert werden. Unsere Besichtigung führt von den Stallungen, über die Reithalle und bis hin zur Veterinärklinik. Rund 30 Personen arbeiten auf dem Hof.

Domecq, ein bekannter Name in Jerez de la Frontera

Die Familie Domecq gilt als einflussreiche Familie in Jerez de la Frontera. Der französisch-spanische Adlige Pedro Domecq gründete einst im Jahr 1822 das gleichnamige Weinunternehmen, welches grosse Ländereien in der Stadt besass und zum achtgrössten Wein- und Spirituosenunternehmen der Welt anwuchs. Heute gehört das Unternehmen dem Pernod Ricard-Konzern. Nach dem Verkauf wollte Miguel Domecq, der zur 7. Generation der Familie gehört, die Familientradition weiterführen und entwickelte sein eigenes Weingut. Dieses befindet sich an einmaliger Lage und bietet einen schönen Ausblick. Und natürlich auch grossartige Weine, wie wir bei einer Degustation erfahren durften. Mir gefiel besonders der Chardonnay, den man direkt in der Bodega für 5.5 Euro erstehen konnte. Natürlich habe ich zugeschlagen und zwei Flaschen erworben.

Wo einst Kolumbus seine dritte Überfahrt startete

Sanlúcar de Barameda liegt am Atlantik. Von hier aus startete Christoph Kolumbus seine dritte Überfahrt nach Amerika. Wir entdecken heute aber nicht Amerika, sondern die köstlichen Weine der örtlichen Bodegas Hidalgo La Gitana. Diese befindet sich nur 300 Meter vom Meer, was eine optimale Reifung des Manzanilla La Gitana ermöglicht. In den Lagerhallen der Bodega kann man sich verlaufen. Der Sherry wird traditionell nach dem sogenannten Solera-System gelagert. Dabei werden die Eichenfässer übereinandergestapelt. Der älteste Jahrgang befindet sich in der untersten Lage, dem sogenannten «Solera». Die verschiedenen Altersstufen werden in Fässern gemischt, um Konsistenz und einen ausgewogenen und komplexen Geschmack zu erreichen. So degustieren wir auch Sherry, der über 90 Jahre alt ist.

Victor führt uns zu durch die Hallen den verschiedenen Weinsorten. Mit einem sogenannten Venencia, eine Art «Schöpfdegen» sticht Victor in das Fass und entnimmt den edlen Tropfen. Elegant schwingt er das Venencia und füllt das Weinglas. Neben den Fässern stehen jeweils Tische und Sitzgelegenheiten bereit. Bei jeder Degustation werden die passenden Tapas dazu serviert. Das bietet nochmals ein spezielles Geschmackserlebnis.

Chiclana de la Frontera – mehr als schöne Sandstrände

Von Chiclana de la Frontera kannte ich bislang nur die weitläufigen Sandstrände. Vor rund 16 Jahren war ich mit TUI auf einer Hotelbesichtigungstour und 10 Jahre später verbrachte ich ein paar Ferientage im Club Aldiana. Chiclana de la Frontera ist aber auch bekannt für seine Weinproduktion und Salzgewinnung, zwei wichtige Wirtschaftszweige in dieser Region. Aus diesem Grund fahren wir in das Stadtzentrum und besuchen das örtliche Salz- und Weinmuseum. Bei unserem Besuch erfahren wir mehr über den Prozess der Herstellung des Weines und des Salzes in Chiclana. Zum Abschluss degustieren wir selbstverständlich den örtlichen Wein. Danach erolgt ein kurzen Abstecher in das Marktgebäude gegenüber. Dort herrscht reges Treiben und an den Ständen bilden sich teilweise Warteschlangen. Vor allem die Fischverkäufer haben alle Hände voll zu tun.

Der Osborne Stier – Symbol Spaniens

Der Osborne-Stier gehört seit über fünfundsechzig Jahren zu Spaniens Autobahnen. Was einst als Werbekampagne für den Osborne Brandy Veterano begann, ist längst zu einem nationalen Symbol Spaniens geworden. Über neunzig, der aus Metall gefertigten und vierzehn Meter hohen Stiere stehen mittlerweile in Spanien. Das vor über 250 Jahre vom Engländer Thomas Osborne gegründete Unternehmen befindet sich immer noch in Familiensitz und liegt in El Puerto de Santa María, ein Ort zwischen Cádiz und Jerez de la Frontera. Unser Besuch führt uns durch die Lagerhallen und die Gallery, wo wir anhand einer 1:1 Kopie des Kopfes des Stieres 1:1 die wahre Grössendimension erleben können. Für den ganzen Stier war das Gebäude zu tief.

Flamenco – andalusische Leidenschaft

Das Tabanco El Pasaje im Herzen von Jerez de la Frontera kann bald auf eine hundertjährige Geschichte zurückblicken. Tabancos sind traditionelle Weinhäuser und ein wichtiger Bestandteil der andalusischen Kultur. Nebst dem Sherry werden auch Tapas serviert. Das Lokal ist bis auf den letzten Platz besetzt und wir warten gespannt auf das Highlight des Abends: Eine Flamenco-Show. Um zwanzig Uhr ist es dann so weit. Eine Künstlerin und zwei Künstler betreten die Bühne. Die Show beginnt mit einem Spiel auf der Flamencogitarre. Bald erhören wir auch leidenschaftlichen Gesang. Die Tänzerin erhebt sich von ihrem Stuhl und stampft mit ihrem Temperament rhythmisch auf den Boden. Mit emotionaler Mimik tanzt sie ausdrucksvoll und reisst so das Publikum in ihren Bann. Der Applaus aus dem Publikum ist ihr sicher und mit einer Zugabe beendet sie ihre knapp einstündige Show.

Marco de Jerez – eine Region für Gastronomie- und Weinreisen

Der Weinbaugebiet Marco de Jerez will sein Potential für Gastronomie- und Weinreisen weiter ausbauen. So beginnt unser heutiger Tag mit offiziellen Treffen. Im Sitz des Kontrollausschuss Consejo Regulador De La D O'Jerez Xeres Sherry, ein Palast mit Büros und Versammlungshalle, treffen wir verschiedene Hoteliers, Restaurantbesitzer sowie Winzer für einen Austausch. Anschliessend geht es weiter durch die Altstadt zum Alcázar, einer von den Mauren erstellten Festung aus dem 11. Jahrhundert. Nach einer kurzen Besichtigung empfängt uns die Bürgermeisterin María José García-Pelayo sowie der für Tourismus zuständige Stadtrat Antonio Real. Im Schlepptau die Presse, die über unsere Reise im Diario de Jerez berichtet. Ich spüre, welchen hohen Stellenwert der Tourismus hier hat.

Zum Abschluss unseres Aufenthaltes in Jerez de la Frontera begeben wir uns in die Calle Pescadería Vieja (Alter Fischmarkt), eine einzigartige Strasse, deren Besuch man sich nicht entgehen lassen sollte. In der Bar Juanito geniessen wir unser feines Mittagessen. Danach heisst es Abschied nehmen von Jerez de la Frontera. Mit Wehmut. Die Stadt ist mir bei meinem zweiten Besuch tatsächlich ans Herz gewachsen. Die lokale Agentur, die das Reiseprogramm zusammengestellt hat, hat uns wirklich am magische Orte geführt und uns spezielle Einblicke ermöglicht.

Das Dessert der Reise: Sevilla

Wir fahren weiter nach Sevilla. Am Abend folgt der letzte Höhepunkt unserer Reise: Ein Abendessen in der Gastronomieschule von Sevilla. Unsere Kellnerin Veronica liebt ihre Arbeit über alles und das spüren wir den ganzen Abend. Voller Freude serviert sie uns ein ausgezeichnetes, wundervoll dekoriertes Mehrgangmenü. Dazu hat empfiehlt sie uns die perfekt passenden Weine. Bei diesem Abendessen stimmt einfach alles, wir sind alle überwältigt.

Die Provinz Cádiz verfügt über schöne Strände, imposante Architektur und reiche Kultur. Die Region bietet aber auch über eine ausgezeichnete Gastronomie und erlesene Weine. Der Sherry mit seinen Stilen Fino, Manzanilla, Amontillado, Oloroso und Pedro Ximénez ist weltberühmt. Die süssen Moscatel sind hervorragende Dessertweine. Für Abwechslung sorgen die Vino de la Tierra de Cádiz. Es verwundert nicht, dass Route Marco de Jerez sich zu einem Mekka für Weinreisen entwickelt.